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Herr Dr. Ilger ist Geologe des Museums für Naturkunde in Dortmund. Im Rahmen seiner davor ausgeübten Tätigkeit an der Technischen Universität Clausthal hat er auch regelmäßige Exkursionen in das Kellwassertal im Harz geleitet.
Bedeutung erlangte das beschauliche Tal mit dem Flüsschen Kellwasser im Harz im Jahr 1850. Nahe der Bergstadt Altenau (heute Altenau-Schulenberg im Oberharz) fiel dem Geologen Friedrich Adolph Roemer eine Abfolge von hellen Kalksteinen mit eingelagerten dunklen Kalkstein-Bänken auf. Diese Schichten treten in Europa und weltweit an mehreren Lokalitäten auf. Für den Geologen ist dunkler Kalkstein immer ein „Alarmsignal“: Da muss etwas passiert sein!
Die Abbildung eines Handstücks dieses dunklen Kalksteines beweist diese Vermutung. Zu sehen ist eine dichte Ansammlung von Fossilien mit unterschiedlichen Organismen. Neben dem dunklen Gestein der Beweis dafür, dass im Zeitalter der Bildung dieser Kalksteine, im Oberdevon, ein Aussterbeereignis stattgefunden hat. Das Gebiet war damals von Meer bedeckt. Der ausgefällte Kalk war grundsätzlich hell. Der Kohlenstoff der bei dem Aussterbeereignis in großer Zahl gestorbenen Lebewesen führte bei gleichzeitiger eingeschränkter Oxidation mit Sauerstoff zu der dunklen Färbung des Kalkes. Die im Zuge der Variszischen Gebirgsbildung angehobenen und gefalteten Gesteinsschichten lassen dies heute sichtbar werden. Dies geschah lange bevor der Harz im Tertiär als Mittelgebirge herausgehoben wurde.
Roemer nannte die dunklen Leithorizonte, die von ihm an der Typlokaltät gefunden wurden, „Goniatitenkalk“. 1900 prägte Louis Beushauen den heutigen Begriff Kellwasser-Kalk, nachdem er vergleichbare Gesteine auch in der Eifel und im nordhessischen Bergland gefunden und in Beziehung zu Roemers „Goniatitenkalk“ gebracht hatte. Das Aussterbeereignis, das mit den dunklen Kalksteinen zusammenhängt, wird heute international als Kellwasser-Event bezeichnet und auch in ausländischen englischsprachigen Fachaufsätzen als „Kellwasser event“ angesprochen.
Die Original-Fundstelle ist in den 1950er Jahren in der Vorsperre des Oker-Stausees versunken. Glücklicherweise treten die Schichten – bedingt durch eine komplizierte Kleintektonik – etwas weiter hangaufwärts nochmals zutage. Der heute erreichbare Aufschluss ist als Geotop innerhalb des "Nationalen Geoparks Harz. Braunschweiger Land . Ostfalen" ausgewiesen und gut beschildert..
Das Kellwasser-Event kennzeichnet eines der fünf großen Aussterbeereignisse der Erdgeschichte. Bei allen diesen Ereignissen ist die Biodiversität massiv eingebrochen. Öffentlich sehr bekannt ist das Kreide/Paläogen-Ereignis, als 47 % der Arten ausgestorben sind, unter anderem die Dinosaurier. Das schwerwiegendste Event war das an der Grenze der Erdzeitalter Perm und /Trias. Beim Kellwasser-Event im Oberdevon starben ca. 50 % aller marinen Arten aus.
Das Wort „Event“ klingt nach einem schlagartigen Ereignis. Dies mag aus der Sicht eines Geologen durchaus der Fall sein – wenn man eine Millionen Jahre noch als schlagartig versteht, ist diese Aussage gerechtfertigt.
Der Harz zeigt sich heute in einer Nordwest-Südost-gestreckten Form. Nach Süden und Osten fällt er sanfter ab, während er im Westen, vor allem aber im Norden, schroff aus dem Harzvorland aufragt. Das norddeutsche Mittelgebirge ist in der erdgeschichtlichen Entwicklung, wie auch das das Rheinische Schiefergebirge, ein Teilstück des Variszischen Gebirges.
In den Zeitaltern des Ordoviziums, Siluriums, Devons und Unterkarbons hatten sich auch im Gebiet des heutigen Harzes mehrere tausend Meter mächtige Sedimente abgelagert. Sie wurden u. a. während der Varisztischen Gebirgsbildung intensiv gefaltet und gehoben .
Abgelagert hatten sich beispielsweise im Unterdevon die bis zu 600 m mächtigen, sehr reinen „quarzitischen“ Kahleberg-Sandsteine. Im Mitteldevon bildeten sich 1000 m mächtige Tonsteine, die tektonisch überprägt wurden und heute den Wissenbacher Schiefer bilden. Als „Goslarer Dachschiefer“ prägen sie heute entscheidend das Bild der Städte im Oberharz und am Harznordrand.
Im Oberdevon bildeten sich große karbonatische Riffkomplexe, im
Unterkarbon auch kieselige Radiolite. Danach werden die Schichten
zunehmend siliziklastischer. Verantwortlich war der Abtragungsschutt
des Varistzischen Gebirges, der sich auch in den Schichten mit den
mächtigen Harzer Grauwacken manifestiert.
Gegen Ende der varisztischen Faltungsära drangen granitische Schmelzen auf. Der größte Pluton dieser Art ist das Brocken-Massiv. In dieser Zeit entstanden auch die Gangerze, die in historischer Zeit die Grundlage des Oberharzer Bergbaus bildeten.
Die großen Devon-Riffe übertrafen in ihrer Mächtigkeit das heute bekannte Great-Barrier-Riff vor Australien. Spuren sind heute in Deutschland vielfältig erkennbar, z. B. der Iberg-Winterberg im Harz oder das Stromatoporen- Riff bei Gerolstein. Während die Haupt-Riffbildner in Gerolstein schwammartige Organismen waren, herrschen am Iberg tabulatea und rugose Korallen vor, die mit den heutigen Korallentieren nicht näher verwandt sind. Die Tabulata und Rugosa waren Opfer des Kellwasser-Events. Die Riffe starben im Oberdevon radikal ab und es dauerte lange Zeit, bis die Riffbildung im Mesozoikum durch andere Organismen wieder ein vergleichbares Ausmaß annahm.
Das Devon war ein Zeitalter mit vielen evolutionären Neuerungen (siehe auch Vortrag von Fau Dr. Sylvia Rückheim). In dieser Zeit wurde das noch öde und leere Land besiedelt, im Meer setzte sich der schon früher begonnene Evolutionstrend mit z. B haiartigen Fischen, Knochenfischen, Ammonoideen etc. fort. Bis es im Oberdevon zum Aussterbeereignis kommt, welches heute weltweit nachgewiesen werden kann und dessen Spuren zum ersten Mal im Kellwassertal entdeckt wurde.
Letzte Änderung: 28.05.2020